Wer versteht beispielsweise noch „aweile“, „aanbännele“, „kloor“ und „iwwazwersch“? Die saarländischen Mundarten, oft spricht man landläufig vom Dialekt, kennen zahlreiche Wörter, die dem Hochdeutschen fremd sind. Sonah greift sie auf und erklärt ihre Herkunft, zusammen mit Gunter Altenkirch vom Museum für dörfliche Alltagskultur in Rubenheim.
Eine Worterklärung und mehr zur Alltagskultur unserer Region gibt es übrigens auch in jeder Ausgabe unserer Zeitschrift Sonah.
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Aanbännele/Oonbännele – in der saarländischen Mundart
In Cafés, auf Spazierwegen oder auf Festen kann man bisweilen Menschen beim „Aanbännele“ oder „Òònbännele“ beobachten. Doch was haben sie dabei eigentlich mit Bändern zu schaffen?
Tatsächlich etwas: Das „Anbändeln“ geht zurück auf einen Brauch des feierlichen Schenkens, bei dem die oder der Beschenkte etwas um den rechten Oberarm gebunden bekam. Ein Beispiel dafür ist die weiße Schleife, die früher in katholischen Gebieten den Kommunionsbuben anlässlich ihres Gelöbnisses angelegt wurde. Dieses feierliche Schenken wurde auch beim Freien, oder wie man heute sagen würde Flirten, praktiziert: Der junge Mann pflückte ein paar Wiesenblumen, band sie zu einem Sträußchen zusammen und dieses dann dem Mädchen seiner Gunst an den Oberarm. Später bekamen die Mädchen die Sträußchen nicht mehr angebunden, sondern nur noch überreicht. In den Bauerndörfern wurde der Brauch noch länger gepflegt, allerdings nahm man hier meist kein Band, sondern einen Halm des Blaugrünen Binsengrases. Als besonders ehrenvoll für die Beschenkte galt es dabei, wenn der Halm an der Spitze eine (schlichte, braune) Blüte zeigte. Der Brauch verschwand in unserer Region schon vor 1900.
„Awei“/“Aweile“ – in der saarländischen Mundart
„Awei gett’s awwa lòss!“ Alle Saarländerinnen und Saarländer kennen vermutlich diese Warnung, zumindest noch aus der Kindheit. Und man weiß, dass dabei das Wörtchen „awei“ vermittelt, dass es jetzt, in diesem Moment, „lòss gett“. Der Mundart-Begriff „awei“ oder auch „aweile“ ist relativ einfach herzuleiten, aber sehr häufig gebraucht, weshalb er hier nicht fehlen soll.
„Aweile“ oder „awei“ ist eine zusammenziehende Verkürzung von „alleweil“, bedeutet also im Grunde „alle Weilen“ (alle Momente), ähnlich wie etwa „allemò“ auf Hochdeutsch „allemal“ also „alle Male“ bedeutet. Ähnlich wie es bei „allemal“ eine leichte Bedeutungsverschiebung hin zu „sicherlich“/ „selbstverständlich“ gab, gab es eine solche auch bei „alleweil“: gemeint sind mit den „allen Weilen“ die jetzt präsenten Weilen, also „in diesen Weilen“. Es gibt eine Reihe von oft gebrauchten Redewendungen, die mit dem Begriff verbunden sind, wie: „ei grad awei“, „awwei heer uff“, „awwei is zabbeduschda“. Oft wird der Begriff verwendet, um Warnungen oder Drohungen eine gewisse Dringlichkeit und Schärfe zu verleihen.
„Kloor“/“Kloar“/„Kloah“ – in der saarländischen Mundart
In unserer Mundart gibt es ein paar besonders „kloore“ Wörter, für die man einfach keine angemessene hochdeutsche Übersetzung findet – so zum Beispiel eben „kloor“. Denn was „kloor“ ist, kann lustig, komisch, niedlich, sympathisch, erstaunlich und noch manches mehr sein. Und wer „nimmeh ganz kloor“ ist, der ist nicht mehr ganz bei Verstand. Wie kam das merkwürdige Wort in unseren Sprachgebrauch?
Es ist verwandt mit dem hochdeutschen Wort „klar“ und dem englischen „clear“, das einst ein weiter gefasstes Bedeutungsspektrum hatte als heute. Ursprünglich meinte man damit „unverhangen“, „hell“, „glänzend“ und ähnliche Eigenschaften und bezog es auf atmosphärische Erscheinungen wie das Wetter, den Sonnenschein oder die Morgenröte – auf jeden Fall aber war es positiv belegt. Wie so oft wurde das Wort auf vieles andere übertragen, was dem Grundtenor „positiv“ entsprach, so nennen die Gebrüder Grimm in ihrem Wörterbuch auch „froh“ als Synonym für „klar“. Also konnten auch Personen oder Sachverhalte „klar“ beziehungsweise „kloor“ sein, was verschiedene positive Eigenschaften meinte. Und wer nicht ganz „kloor“ ist, der ist eben nicht ganz „klar“ im Kopf oder nicht ganz „helle“. Eine ähnliche Doppelbedeutung findet man bei dem Wort „heiter“, das ebenso einen wolkenfreien Himmel wie auch eine fröhliche Person bezeichnen kann.
„Iwwazwersch“- in der saarländischen Mundart
„Wat bische dann wirra so iwwazwersch?“ Saarländische Kinder wissen, was mit dieser Schelte gemeint ist: dass sie frech, vorlaut, widerspenstig seien. Woher der Begriff kommt, ist jedoch weitgehend vergessen.
Der erste Wortteil „iwwa“ entspricht dem hochdeutschen „über“ und steht in diesem Fall für eine Häufung im Sinne von „mehr als“. Der zweite Wortteil „zwersch“ ist ein älterer Begriff für eine Richtungs- und Lagebeschreibung, nämlich für „quer“. Zusammengesetzt kann man unter „iwwazwerch“ also „mehr als quertreiberisch“ verstehen. Dementsprechend wurde das Wort früher auch als Schimpfwort für einen Quertreiber verwendet und für das frühe 20. Jahrhundert ist auch die Bedeutung im Sinne eines „Taugenichts“ belegt. Die heutige Bedeutung für „frech“ kann als eine Abschwächung des alten Schimpfwortes angesehen werden.
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© Sonah und Gunter Altenkirch
„Wer versteht’s noch“ ist ein Projekt von Sonah und dem Volkskundler Gunter Altenkirch (Museum für dörfliche Alltagskultur & Museum des Saarländischen Aberglaubens, http://www.museum-alltagskultur.de).