Wer versteht beispielsweise noch „Hingel“, „gelle“, „Gòòdie“ und „Huddel“? Die saarländischen Mundarten, oft spricht man landläufig vom Dialekt, kennen zahlreiche Wörter, die dem Hochdeutschen fremd sind. Sonah greift sie auf und erklärt ihre Herkunft, zusammen mit Gunter Altenkirch vom Museum für dörfliche Alltagskultur in Rubenheim.
Eine Worterklärung und mehr zur Alltagskultur unserer Region gibt es übrigens auch in jeder Ausgabe unserer Zeitschrift Sonah.
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„Hingel“/Hinkel“– in der saarländischen Mundart
Im Saarland kommt das Ei bekanntlich nicht vom Huhn, sondern vom „Hingel“, „Hinggel“ oder „Hinkel“. Unser mundartliches Wort für dieses Tier unterscheidet sich damit recht stark vom hochdeutschen. Wie kommt das?
Das hochdeutsche „Huhn“ hat sich ausgehend von alten Begriffen in eine andere Richtung entwickelt als unser „Hingel“. Ein veralteter hochdeutscher Begriff lautet „Hünkel“. Er wiederum geht zurück auf das mittelhochdeutsche „huoniclin“.
Bisweilen wurde das „Hingel“ bei uns wie andernorts als Kosewort gebraucht: „Mei guddes Hinggel!“ Meist aber hat man es in einem weniger freundlichen Sinne verwendet. Dies geht zurück auf eine geringe Achtung der Hühner als häusliches Vieh. Das ständige Gackern der Tiere galt als Zeichen von Dummheit – fälschlicherweise natürlich.
„Gell“/“Gelle“- in der saarländischen Mundart
„Heit mache ma uns mòò e scheener Daach, gelle?“ – Will man in unserer Region etwas vom Gegenüber bestätigt bekommen, so hängt man gerne ein „gell“ oder „gelle“ dahinter. Oder auch davor: „Gell, heit isses scheen!“
Wie gelangte das Wörtchen in unseren Sprachgebrauch? Es zählt zu den Ausrufe- und Empfindungswörtern, wie etwa auch die Ausrufe „Ooh“ oder „Nää“. Der Ursprung ist einfach: Das Wort kommt von dem Begrifft „gelten“ und es handelt sich um eine Abkürzung – nach dem Motto „das gilt doch?“ oder etwa „lassen wir es gelten“. Das lässt sich noch daran erkennen, dass man in anderen Gegenden auch „gelt“ sagt: „Wir treffen uns am Sonntag, gelt?“
„Goodie“/“Good“ – in der saarländischen Mundart
Jede Patentante eines saarländischen Kindes kennt ihn, den Ruf nach der „Gòòdie!!!“ Der liebevolle Begriff „Gòòdie“ oder „Gòòd“ für die Patin und Taufpatin ist in allen hiesigen Dörfern verbreitet, mancherorts existieren auch Nebenformen wie Gòda, Gout, Gòòf, Getche, Gettel oder Gärrel, um nur einige zu nennen.
Er geht zurück auf die „Mutter in Gott“ und bezieht sich auf den Bund, den die Patin, meist bei der Taufe des Kindes, mit diesem eingeht. Ähnliche Begriffe gibt es in vielen weiteren Mundarten und beispielsweise auch im Englischen mit „godmother“ und „godparent“. Die „Gòòd“ wurde dabei auch mit „gut“ assoziiert und war dem Kind eine „gute Mutter“, was auf die Verhältnisse in unserer früheren bäuerlichen Gesellschaft zurückgeht: Geschwister des Hoferben blieben oft unverheiratet und sicherten sich damit das Recht, ihr Leben lang auf dem Familienhof bleiben zu dürfen und versorgt zu werden. Das Bauernehepaar stellte seinen Kindern gerne eine solche unverheiratete Tante zur Seite. Die Beziehung der kinderlosen Frau zu ihrem Patenkind war dann normalerweise eine sehr enge, oftmals enger als die zur eigenen Mutter, die als weiblicher Hofvorstand viel beschäftig war. Mit der Patin stellte man dem Kind eine solche „gute Mutter“ zur Seite.
„Huddel“- in der saarländischen Mundart
Welcher Saarländer kennt es nicht? Da redet man in seiner ersten Fremdsprache Hochdeutsch galant daher und plötzlich hat man echt „Huddel“, ein bestimmtes Wort eins zu eins zu übersetzen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, eben etwa bei „Huddel“/ „Gehuddels“ (moselfränkisch) beziehungsweise „Hurrel“/“Gehurrels“ (rheinfränkisch) – denn die Bedeutung liegt irgendwo zwischen Ärger, Schwierigkeiten, Mühsal oder auch lästiger Arbeit. Zwar kennt der Duden tatsächlich ein „Gehudele“, doch welcher Zuhörer kann damit schon etwas anfangen? Immerhin bringt uns das Gehudele auf die Fährte des Ursprungs des ganzen „Huddels“: Der liegt nämlich verborgen in dem veralteten Begriff „Hudel“ und dem noch älteren „Hude“. Beide bezeichneten Lumpen oder zerrissene Kleidung – also Tuch, wie es arme Leute, vor allem Vaganten, trugen. Wie beispielsweise der Begriff „Lump“ wurde auch der Hudel vom Textil auf die Personen selbst übertragen und bekam damit jene Bedeutung, die die Dorfbevölkerung mit den Trägern verband: Schwierigkeiten und Ärgernis. Mit der Zeit erweiterte sich die Bedeutung des „Gehuddels“ und es konnte ganz unterschiedlicher Art sein.
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© Sonah und Gunter Altenkirch
„Wer versteht’s noch“ ist ein Projekt von Sonah und dem Volkskundler Gunter Altenkirch (Museum für dörfliche Alltagskultur & Museum des Saarländischen Aberglaubens, http://www.museum-alltagskultur.de).